Neue genomische Verfahren

Neue genomische Verfahren sind Zuchttechniken, die das genetische Material von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen verändern.

Sie werden verwendet, um neue erwünschte Merkmale zu entwickeln oder bestehende Merkmale eines Organismus Lebewesen wie Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroben (z.B. Bakterien und Viren) zu verstärken oder abzuschwächen.

Der Begriff „neue genomische Verfahren“ bzw. „Präzisionszucht“ beschreibt Techniken, die seit der Verabschiedung der EU-Rechtsvorschriften über genetisch veränderte Organismen ( GVO Ein genetisch veränderter Organismus (GVO) ist ein Organismus, der genetisches Material enthält, welches absichtlich verändert wurde und das durch Züchtung oder Selektion nicht natürlicherweise vorkommt) im Jahr 2001 entwickelt wurden. 

Diese Verfahren ermöglichen eine präzisere und schnellere Veränderung der DNA Komplexes, kettenähnliches Molekül, das in allen Lebewesen und einigen Viren vorkommt und die genetischen Informationen (Gene) trägt. Die DNA (dt.: Desoxyribonukleinsäure – DNS) ist in der Lage, sich selbst zu kopieren, und enthält die „Baupläne“ aller Proteine, die für die Schaffung und Erhaltung von Leben notwendig sind als herkömmliche Züchtungsmethoden oder etablierte genomische Verfahren, die vor 2001 entwickelt wurden. 

Sowohl neue als auch etablierte genomische Verfahren können verwendet werden, um erwünschte Merkmale wie die Verbesserung des Nährstoffgehalts von Pflanzen oder die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen oder Tieren gegen Krankheiten oder klimatische Bedingungen wie Dürren oder Überschwemmungen zu entwickeln. 

Bei den neuen genomischen Verfahren werden DNA-Abschnitte hinzugefügt, entfernt oder umgeordnet, was zu genetischen Veränderungen führt, die subtil bis komplex sein können. 

Sie umfassen die Verfahren der gezielten Mutagenese (z. B. Genomeditierung) und können bei der gezielten Cisgenese Bezeichnet die Änderung des genetischen Materials eines Organismus mit einer Sequenz derselben oder einer eng verwandten Spezies und Intragenese Bezeichnet die Änderung des genetischen Materials eines Organismus mit einer Kombination verschiedener Sequenzen derselben oder einer eng verwandten Spezies eingesetzt werden.

Einige Anwendungen der gezielten Mutagenese und Cisgenese führen zu genetischen Veränderungen, die auch durch herkömmliche Zuchttechniken, einschließlich der Zufallsmutagenese, verursacht werden könnten. 

Nach den EU-Vorschriften müssen Risiken durch gentechnisch veränderte Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen bewertet werden, bevor sie in der EU in Verkehr gebracht werden dürfen.

Im Juli 2023 schlug die Europäische Kommission neue Vorschriften vor, nach denen einige mit neuen genomischen Verfahren gewonnene Pflanzen ähnlich wie herkömmliche Pflanzen behandelt werden. Grund dafür ist, dass sie auf natürliche Weise vorkommen oder durch herkömmliche Zuchttechniken hergestellt werden könnten. Die EFSA hat eine wissenschaftliche Stellungnahme abgegeben, um diese laufende politische Initiative zu untermauern.

Des Weiteren ist die EFSA für die Bewertung potenzieller Risiken für Mensch, Tier und Umwelt zuständig. Die Ergebnisse fließen in die Entscheidungen der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten über die Zulassung ein. 

Derzeit gibt es in der EU keine Pflanzen oder Tiere, die ausschließlich mit neuen genomischen Verfahren gewonnen werden und zum Verkauf als Lebens- oder Futtermittel zugelassen sind.

Aktuelles

Wir führen eine öffentliche Konsultation zu unserem Entwurf eines wissenschaftlichen Gutachtens über neue Entwicklungen in der Biotechnologie (einschließlich synthetischer Biologie und neuer genomischer Verfahren) durch, die in der Viehzucht, bei Futtermitteln und anderen landwirtschaftliche Anwendungen angewendet werden.

Der Entwurf des Gutachtens untersucht die Anwendbarkeit und Angemessenheit der Risikobewertungsleitlinien der EFSA und umfasst Aspekte wie molekulare Charakterisierung, Lebens- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz sowie Umweltsicherheit. Die Konsultation läuft bis zum 19. März 2025.

Die Arbeit ist Teil einer Reihe von Bewertungen, die die EFSA auf Ersuchen der Europäischen Kommission durchführt, um sicherzustellen, dass der Rahmen der EU für Sicherheitsbewertungen für mögliche künftige Anwendungen neuer genomischer Verfahren vorbereitet ist.

Meilensteine

  1. 2024

    Juli

    Die EFSA veröffentlicht eine Bewertung einer von der französischen Agentur für Lebensmittel, Umwelt und Arbeitssicherheit (ANSES) durchgeführten Analyse der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Kriterien zur Einstufung von Pflanzen, die mittels NGT gewonnen wurden.

  2. 2023

    Dezember

    Die EFSA veröffentlicht eine externe Horizon-Scanning-Studie (strategische Früherkennung) zu Mikroorganismen und daraus hergestellten Erzeugnissen, die durch neue Entwicklungen in der Biotechnologie gewonnen werden.

  3. September

    Die EFSA veröffentlicht eine externe Bewertung der kommerziellen und vorkommerziellen Anwendungen neuer genomischer Verfahren, die auf Nutztiere und daraus gewonnene Lebens- und Futtermittelerzeugnisse angewandt werden.
     

  4. 2022

    Dezember

    Die EFSA veranstaltet ein offenes Treffen mit Interessengruppen zum Thema Sicherheit von mit neuen genomischen Verfahren gewonnenen Pflanzen. 

  5. Oktober

    Die EFSA veröffentlicht ein aktualisiertes wissenschaftliches Gutachten zur Sicherheit und Risikobewertung Spezialgebiet der angewandten Wissenschaften, in dem wissenschaftliche Daten und Studien ausgewertet werden, um die mit bestimmten Gefahren einhergehenden Risiken zu beurteilen. Dies umfasst vier Schritte: Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung und Risikocharakterisierung von Pflanzen, die durch Cisgenese und Intragenese entwickelt wurden. 

    Die EFSA veröffentlicht eine Erklärung, in der sechs Hauptkriterien für die Risikobewertung von Pflanzen vorgeschlagen werden, die mit den genomischen Verfahren der gezielten Mutagenese, Cisgenese und Intragenese gewonnen werden. 

  6. Juni

    Die Sachverständigen der EFSA bewerten die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung von genetisch veränderten Pflanzen in Lebens- und Futtermitteln. Die Bewertung umfasst zwei Fallstudien zu neuen genomischen Verfahren.

  7. 2021

    April

    Die EFSA erstellt einen Überblick über die Risikobewertung von mit neuen genomischen Verfahren gewonnenen Pflanzen. Der Bericht ist Teil einer Studie, um die der Rat der Europäischen Union die Europäische Kommission ersucht hat. 

  8. Februar

    Die EFSA bewertet, ob die Leitlinien für die molekulare Charakterisierung und Umweltverträglichkeitsprüfung Bewertung des potenziellen Schadens für die Umwelt durch einen Stoff, eine Aktivität oder ein natürliches Ereignis. Dies kann sich auf die Einführung genetisch veränderter Pflanzen, den Einsatz von Pestiziden oder die Ausbreitung von Pflanzenschädlingen beziehen von gentechnisch veränderten Pflanzen für die Risikobewertung von Pflanzen, die mittels synthetischer Biologie (SynBio) gewonnen werden und für den Anbau oder die Verwendung für Lebens- und Futtermittelzwecke bestimmt sind, angemessen und ausreichend sind. Die Bewertung umfasste eine Fallstudie zur Genomeditierung eines Weizens mit niedrigem Glutengehalt. 

  9. 2020

    November

    Die Sachverständigen der EFSA bewerten, ob die Schlussfolgerungen ihres wissenschaftlichen Gutachtens aus dem Jahr 2012 zur Sicherheitsbewertung von Pflanzen, die mithilfe von Zinkfinger 3 und anderen zielgerichteten Nukleasen mit ähnlicher Funktion entwickelt wurden, auf Pflanzen anwendbar sein können, die mit zielgerichteten Nukleasen vom Typ 1 und Typ 2 und mit Oligonukleotid-gerichteter Mutagenese (Genomeditierungsverfahren, die einen bestimmten Bereich des Genoms verändern, ohne neue DNA einzubringen) entwickelt wurden.

    Die EFSA bewertet, ob die Leitlinien für die Risikobewertung genetisch veränderter Tiere für die molekulare Charakterisierung und Umweltverträglichkeitsprüfung von mittels Genantrieb Bezeichnet eine gentechnische Technologie, die darauf abzielt, die Übertragung spezifischer genetischer Elemente von Interesse in einer Zielpopulation zu beschleunigen veränderten Insekten angemessen sind.

  10. 2012

    Februar und März

    Die EFSA gibt zwei Gutachten zu Cisgenese/Intragenese und zu Zinkfinger-Nuklease 3 und anderen zielgerichteten Nukleasen ab, in denen sie die potenziellen Risiken dieser Verfahren und die Anwendbarkeit der Leitlinien zur Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen bewertet. 

Rolle der EFSA

Wir bieten wissenschaftliche Beratung zur Unterstützung der politischen Entscheidungsträger in der EU – der Europäischen Kommission, der EU-Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments –, um sicherzustellen, dass Lebens- und Futtermittel, die mittels Biotechnologie hergestellt werden, für Mensch, Tier und Umwelt sicher sind.

Unsere wissenschaftliche Beratung hilft den politischen Entscheidungsträgern, über die Regulierung neuer Produkte zu entscheiden, die sich aus den Fortschritten in der Biotechnologie ergeben. 

Die politischen Entscheidungsträger sind für die Zulassung von neuen genomischen Verfahren und die Bedingungen für ihre mögliche künftige Verwendung auf dem europäischen Markt zuständig.

Häufig gestellte Fragen

Einige mit diesen neuen genomischen Verfahren gewonnene Pflanzen weisen bisweilen nur geringfügige Veränderungen auf, die auch in der Natur oder durch herkömmliche Züchtung auftreten könnten. Andere können jedoch auch mehrere und umfassende Mutationen aufweisen, die möglicherweise Pflanzen ähneln, die durch in den letzten beiden Jahrzehnten verwendete, etablierte Verfahren zur genetischen Veränderung gewonnen wurden.

Die gezielte Mutagenese Bezeichnet eine Technik, die spezifische Mutationen an bestimmten Stellen des Genoms auslöst, ohne neues genetisches Material einzufügen ist ein Sammelbegriff zur Beschreibung von Verfahren, die eine oder mehrere spezifische Mutationen an spezifischen Stellen im Genom Gesamtheit des genetischem Materials in den Zellen von Lebewesen auslösen. Die Veränderungen erfolgen, ohne dass genetisches Material eingeführt wird.

Cisgenese bezeichnet eine Veränderung des genetischen Materials eines Organismus durch eine Sequenz derselben oder einer eng verwandten Spezies. Die neue Sequenz enthält eine exakte Kopie der Sequenz, die bereits im Genpool der Züchter vorhanden ist. Der Genpool besteht aus dem Satz aller genetischen Informationen für eine bestimmte Spezies, die Pflanzenzüchtern zur Verfügung steht.

Intragenese bezeichnet eine Veränderung des genetischen Materials eines Organismus durch die Kombination verschiedener Sequenzen derselben oder einer eng verwandten Spezies. Die neue Sequenz enthält eine umgeordnete Kopie von Sequenzen, die bereits im Genpool der Züchter vorhanden sind.

Die Sachverständigen der EFSA haben relevante Kriterien vorgeschlagen, die für die Risikobewertung von Pflanzen, die mit neuen genomischen Verfahren gewonnen werden, berücksichtigt werden sollten. 

Die Arbeit war ein erster Schritt zur Schaffung eines soliden, wissenschaftlich fundierten Rahmens für die fallweise Bewertung der Risiken, die von der Verwendung dieser Verfahren für die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln sowie für die Umwelt ausgehen. 

Es wurden zudem Anwendungsmöglichkeiten bestehender Risikobewertungsmethoden aufgezeigt sowie Defizite in den derzeitigen Ansätzen und Datenanforderungen hervorgehoben.

Die Kriterien sind in der Stellungnahme der EFSA dargelegt. Die ersten vier der sechs Kriterien beziehen sich auf die molekulare Charakterisierung der genetischen Veränderung, die in die Empfängerpflanze eingeführt wurde. Mithilfe der Kriterien kann bewertet werden,

  1. ob eine fremde („exogene“) DNA-Sequenz Die genaue Abfolge der Bausteine in einer DNA-Kette./p> vorhanden ist;
  2. wenn ja, ob die Sequenz aus dem Genpool der Züchter stammt;
  3. wie die Sequenz integriert wird (z. B. zufällig oder gezielt);
  4. ob ein Gen einer Wirtspflanze Pflanze, auf der ein Schädling lebt oder von der dieser sich ernährt durch die neu eingeführte Sequenz „unterbrochen“ (gespalten) wurde.

Anhand der Kriterien 1 bis 4 soll festgestellt werden, ob cisgene und intragene Sequenzen zu einer Veränderung der Gene der Wirtspflanze geführt haben. Ist dies nicht der Fall oder wurde durch die Veränderung eines endogenen Gens kein Risiko festgestellt, gelten zwei weitere Kriterien:

  1. Ist eine bisherige Verwendung nachgewiesen?
  2. Andernfalls sollten die Struktur und die Funktion der veränderten Varianten der DNA-Sequenz („Allele“) sorgfältig bewertet werden.

Diese beiden Kriterien gelten auch für Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese gewonnen werden.

Die Bewertung der bisherigen Verwendung sollte ein wichtiger Bestandteil der verhältnismäßigen Risikobewertung cisgener, intragener und durch gezielte Mutagenese gewonnener Pflanzen sein, da die neu veränderten DNA-Varianten („Allele“) in der Natur bereits vorhanden sein könnten. 

Dieser Ansatz hat sich bei der Bewertung von GVO, die mit vor 2001 entwickelten Verfahren gewonnen wurden, bewährt. Die bisherige Verwendung gilt als nachgewiesen, wenn eine Pflanze ganz oder teilweise über einen längeren Zeitraum mit der Nahrung aufgenommen wurde (Lebensmittel und/oder Futtermittel und daraus gewonnen Erzeugnisse), ohne dass Gesundheitsschäden bei den betroffenen Personen festgestellt wurden, und wenn die Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird durch eine neue Verwendung innerhalb des Bereichs der „bisherigen“ Verwendung liegen wird. 

Ähnliche Ansätze werden bei der Bewertung von Umweltrisiken herangezogen. Wenn die bisherige Verwendung der neu veränderten DNA-Sequenz ( Allel Bezieht sich auf Allele, d. h. verschiedene Versionen eines Gens, die sich an der gleichen Stelle auf einem Chromosom befinden.) nicht hinreichend nachgewiesen werden kann, sollten die Struktur und die Funktion der Sequenz sorgfältig bewertet werden (Schritt 6 der vorgeschlagenen Kriterien).

Off-Target-Wirkungen sind unbeabsichtigte Mutationen, die in anderen Genomstellen als der vorgesehenen eingeführt werden. Bei Pflanzen, bei denen die gezielte Integration der neu veränderten DNA-Sequenz erfolgreich war, gibt es Fälle, in denen das Potenzial unbeabsichtigter Effekte, z. B. Off-Target-Wirkungen, im Vergleich zu zufälligen Integrationen oder herkömmlichen Züchtungen deutlich reduziert ist. In diesem Fall können die Datenanforderungen für die Risikobewertung im Einzelfall reduziert werden.

Zwei kürzlich durchgeführte Erhebungen der EFSA – eine Kurzumfrage im Jahr 2021 und die Eurobarometer-Umfrage 2022 zur Lebensmittelsicherheit – offenbarten, dass die Bürgerinnen und Bürger in der EU nur wenig über neue genomische Verfahren wissen. 

Aus der Eurobarometer-Umfrage ging hervor, dass der Einsatz neuer biotechnologischer Verfahren in der Lebensmittelherstellung kein häufig genannter Anlass zu Besorgnis ist. Nur 8 % derjenigen, die um den Einsatz wussten, gaben an, dass dieser zu den fünf wichtigsten Themen zählt, die ihnen Sorge in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit bereiten. 

Allerdings ergab die Kurzumfrage, dass die Bürgerinnen und Bürger die möglichen Risiken als eine wichtige Informationslücke wahrnahmen und rund zwei Drittel (69 %) mehr darüber wissen wollten.

EU-Rechtsrahmen

Derzeit gilt der EU-Rechtsrahmen für GVO auch für neue genomische Verfahren.