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Endokrine Disruptoren: EFSA wird im März 2013 wissenschaftliches Gutachten vorlegen

Endokrine Disruptoren sind chemische Stoffe, die das Hormonsystem stören können. Auf Ersuchen der Europäischen Kommission erstellt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein wissenschaftliches Gutachten Zu Gutachten zählen Risikobewertungen im Hinblick auf allgemeine wissenschaftliche Fragen; Bewertungen von Anträgen auf Zulassung eines Produkts, Stoffs oder einer Angabe; sowie Bewertungen von Risikobeurteilungen zu den Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die vom möglichen Vorhandensein endokriner Disruptoren in der Lebensmittelkette ausgehen können. In Zusammenarbeit mit anderen europäischen wissenschaftlichen Beratungsgremien wertet der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA alle derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Informationen über endokrin wirksame Stoffe (die möglicherweise nicht alle hormonell disruptive Eigenschaften haben) aus, um mögliche Ansätze für deren Identifizierung und Methoden zur Bewertung der Gefahren, die von ihnen ausgehen können, zu beurteilen. Das Gutachten wird auch in laufende und zukünftige wissenschaftliche Arbeiten der EFSA einfließen, etwa in den Bereichen Lebensmittelkontaktmaterialien, Pestizide oder Kontaminanten Alle in Lebensmitteln zu findenden Stoffe, die nicht absichtlich zugesetzt wurden. Kontaminanten können auf Verpackung, Lebensmittelverarbeitung und -transport, landwirtschaftliche Praktiken oder den Einsatz von Tierarzneimitteln zurückzuführen sein. Der Begriff deckt nicht die Kontamination durch Insekten oder Nagetiere ab in Lebens- und Futtermitteln. Darüber hinaus wird es als Informationsgrundlage für Entscheidungen der Risikomanager in Bezug auf endokrin wirksame Stoffe dienen.

Das endokrine System (Hormonsystem) spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung des physiologischen Gleichgewichts des menschlichen Körpers sowie bei der Regulation des Körperwachstums, des Stoffwechsels und der Sexualentwicklung und -funktion. Endokrin wirksame Stoffe können sowohl künstlich hergestellt worden sein (z.B. Hormonersatzstoffe) als auch natürlich vorkommen (z.B. Phytoöstrogene, die in Pflanzen wie Soja und Nüssen enthalten sind). Sie können sich ähnlich wie menschliche Hormone verhalten oder die Hormonspiegel im Körper beeinflussen und sich so auf die menschliche Gesundheit und Organismen in der Umwelt auswirken, besonders in kritischen Entwicklungsphasen.

Das für März 2013 geplante Gutachten des Wissenschaftlichen Ausschusses der EFSA wird eine Bestandsaufnahme der vorliegenden wissenschaftlichen Daten vornehmen und versuchen, drei Schlüsselfragen zu beantworten: i) anhand welcher wissenschaftlicher Kriterien endokrine Disruptoren identifiziert werden, ii) welche Kriterien herangezogen werden können, um mögliche schädliche Wirkungen eines endokrinen Disruptors von der normalen Regulation der menschlichen Körperfunktionen bzw. des Ökosystems zu unterscheiden (z.B. Veränderungen der Körpertemperatur bei Menschen und Tieren oder Veränderungen der Photosyntheseaktivität bei Pflanzen), und iii) ob die bestehenden Methoden der Toxizitätsprüfung die Wirkungen endokrin wirksamer Stoffe ausreichend erfassen.

Das Gutachten wird sich auf eine Beurteilung der vorhandenen Informationen, aktuellen Erkenntnisse und wissenschaftlichen Arbeiten zu endokrin wirksamen Stoffen stützen, darunter auch die laufenden Untersuchungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Bericht der Europäischen Kommission über die dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechende Bewertung endokriner Disruptoren („State of the Art Untergliederung der Gattung, eine Gruppe eng verwandter und ähnlicher aussehender Organismen; z.B. steht im Falle des Homo sapiens (Mensch) der zweite Teil des Namens (sapiens) für die Art Assessment of Endocrine Disrupters“) aus dem Jahr 2012 sowie der Tagungsbericht des wissenschaftlichen Kolloquiums der EFSA vom Juni 2012 über Wirkungen niedriger Dosen in Toxikologie und Risikobewertung Spezialgebiet der angewandten Wissenschaften, in dem wissenschaftliche Daten und Studien ausgewertet werden, um die mit bestimmten Gefahren einhergehenden Risiken zu beurteilen. Dies umfasst vier Schritte: Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung und Risikocharakterisierung. Um Einheitlichkeit zu gewährleisten, werden sich weitere wissenschaftliche Beratungsgremien der EU, die sich mit der Risikobewertung endokrin wirksamer Stoffe befassen, ebenfalls an der Ausarbeitung dieses Gutachtens beteiligen, und zwar die Europäische Arzneimittel-Agentur, die Europäische Chemikalienagentur, die Europäische Umweltagentur, die für den Non-Food-Bereich zuständigen Wissenschaftlichen Ausschüsse der Europäischen Kommission sowie die Gemeinsame Forschungsstelle.

Notes to editors
  • Das menschliche endokrine System besteht aus hormonproduzierenden Drüsen, die unsere Körperfunktionen auf vielfältige Weise regulieren und steuern. Hormone spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Körperwachstums, des Stoffwechsels sowie der Sexualentwicklung und -funktion. Bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Ungeborene, Säuglinge und Kinder, reagieren besonders empfindlich auf die Hormonaktivität, da sie sich in kritischen Entwicklungsstadien, den sogenannten „Empfänglichkeitsfenstern“, befinden.
  • „In diesem Bericht steht die Bezeichnung ‘endokrin wirksame Substanz’ (endocrine active substance – EAS) für jeden chemischen Stoff, der direkt oder indirekt das endokrine System beeinflussen und in der Folge zu einer Wirkung auf das endokrine System, dessen Zielorgane und -gewebe führen kann. Ob die Wirkung schädlich („disruptiv“) ist oder nicht, hängt von der Art der Wirkung, der Dosis Gesamtmenge eines Stoffs (z.B. einer Chemikalie oder eines Nährstoffs), die einem einzelnen Organismus verabreicht bzw. von einem Organismus, einer Population oder einem Ökosystem aufgenommen bzw. absorbiert wird und der physiologischen Hintergrundsituation ab.“ Wissenschaftlicher Bericht der Taskforce für endokrin wirksame Substanzen (Endocrine Active Substances Task Force), 2010, Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Parma, Italien.
  • „Bei endokrinen Disruptoren handelt es sich um exogene (körperfremde) Substanzen bzw. Stoffgemische, die eine oder mehrere Funktionen des endokrinen Systems verändern und infolgedessen gesundheitsschädliche Wirkungen in einem intakten Organismus Lebewesen wie Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroben (z.B. Bakterien und Viren), dessen Nachkommen oder einzelnen (Teil-)Populationen verursachen.“ Internationales Programm für Chemikaliensicherheit, 2002. „Global Assessment of the State-of-the-Science of Endocrine Disruptors.“ Weltgesundheitsorganisation, Genf, Schweiz.
  • Beispiele für endokrin disruptive Chemikalien, die mitunter in gesetzlich geregelten Lebens- und Futtermitteln nachgewiesen werden, sind einige Pestizide sowie Umweltschadstoffe wie Dioxine und PCB. Beispiele für Stoffe, die natürlich in Lebensmitteln enthalten sind und hormonelle Wirkungen entfalten können, sind pflanzliche Phytoöstrogene, wie etwa Isoflavone, die häufig in Nüssen, Ölsaaten und Sojaerzeugnissen enthalten sind, sowie Glycyrrhetinsäure in Süßholz und daraus gewonnen Erzeugnissen (z.B. Lakritze). Diese Stoffe können die hormonelle Regulation des Mineralstoff Ein in der Natur vorkommendes anorganisches Element (z.B. Calcium oder Eisen), das für ein normales Wachstum, eine normale Entwicklung und die Erhaltung der Gesundheit über die Nahrung zugeführt werden muss- und Flüssigkeitshaushalts (das „Elektrolytgleichgewicht“) im Blut und in verschiedenen Organen stören und so möglicherweise zu hohem Blutdruck führen.
  • Der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA setzte 2010 mit Unterstützung des Beirats der EFSA (der sich aus den zuständigen nationalen Behörden in Europa zusammensetzt) eine Taskforce für endokrin wirksame Substanzen ein, um den aktuellen Stand der Erkenntnisse über diese Stoffe zu klären und Empfehlungen zu wissenschaftlichen Fragen sowie für die Kommunikation in diesem Bereich zu geben. Scientific report of the Endocrine Active Substances Task Force.
  • Die endokrine Wirkung ist nur eine von vielen verschiedenen toxikologischen Wirkungen, die die Wissenschaftler der EFSA regelmäßig im Rahmen der von ihnen durchgeführten vier Schritte des Risikobewertungsverfahrens berücksichtigen:
    1. Feststellung der möglichen Gefahrenquelle (hazard identification) – die Ermittlung von gesundheitsschädlichen Wirkungen durch biologische, chemische und physikalische Agenzien, die in einem bestimmten Lebens- oder Futtermittel oder in einer Gruppe von Lebens- und Futtermitteln enthalten sein können.
    2. Beschreibung der Gefahr Stoff oder Aktivität, der/die das Potenzial besitzt, in Lebewesen oder Umgebungen schädliche Wirkungen hervorzurufen bzw. des Gefährdungspotenzials (hazard characterisation) – die qualitative und/oder quantitative Einschätzung der Art der gesundheitsschädlichen Wirkungen durch biologische, chemische und physikalische Agenzien, die in Lebens- und Futtermitteln enthalten sein können.
    3. Expositionsabschätzung Einer der Hauptschritte der Risikobewertung, bei dem es um eine eingehende Bewertung der Frage geht, wer oder was einer Gefahr ausgesetzt ist, und in welchen (zu quantifizierenden) Mengen (exposure assessment) – die quantitative Abschätzung der wahrscheinlichen Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird von Menschen und Tieren gegenüber den Lebens- und Futtermitteln, in denen die biologischen, chemischen und physikalischen Agenzien enthalten sein können.
    4. Risikocharakterisierung Letzte Phase der Risikobewertung, bei der die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Stoff eine schädliche Wirkung hat, unter Berücksichtigung der Art der Gefahr und des Ausmaßes der Exposition von Menschen, Tieren, Pflanzen und/oder der Umwelt gegenüber diesem Stoff berechnet wird (risk characterisation) – die qualitative und/oder quantitative Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Vorkommens und der Schwere von bekannten oder potenziellen gesundheitsschädlichen Wirkungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe auf Grundlage der Feststellung der Gefahrenquelle, der Beschreibung des Gefährdungspotenzials und der Expositionsabschätzung (unter Berücksichtigung der mit dieser Abschätzung verbundenen Unsicherheiten).

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