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EFSA-Leitlinien zur aquatischen Ökotoxikologie vereinen zehn Jahre wissenschaftlicher Entwicklungen in sich

Der Schutz von Verbrauchern, Tieren und Umwelt vor Risiken im Zusammenhang mit Pestiziden ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Das von der Behörde neu überarbeitete Modell zur Bewertung der von Pestiziden ausgehenden Risiken für Wasserorganismen – die sogenannte aquatische Ökotoxikologie Wissenschaftsbereich, der die Auswirkungen von Giftstoffen auf Lebewesen im Wasser (z.B. Fische, Krustentiere, Wasserpflanzen und Algen) untersucht. – leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels. Dr. Theo Brock, sachverständiges Mitglied des Gremiums für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände (PPR) der EFSA, erklärt, warum die Behörde ersucht wurde, die Leitlinien für die Risikobewertung Spezialgebiet der angewandten Wissenschaften, in dem wissenschaftliche Daten und Studien ausgewertet werden, um die mit bestimmten Gefahren einhergehenden Risiken zu beurteilen. Dies umfasst vier Schritte: Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung und Risikocharakterisierung zu aktualisieren, und gibt einen Überblick über die neuen Methoden, die Risikobewertern und Entscheidungsträgern beim Schutz von Fischen, Amphibien, Wirbellosen und Wasserpflanzen im Zuge der Zulassung von Pestiziden helfen sollen.

 

Dr. Theo Brock

Dr. Theo Brock
Sachverständiges Mitglied des Gremiums für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände (PPR) der EFSA

Warum wurden die Leitlinien zur aquatischen Ökotoxikologie Lehre der schädlichen Auswirkungen von Stoffen, insbesondere Chemikalien, in Bezug auf die Umwelt und die öffentliche Gesundheit überarbeitet?

Dr. Theo Brock: Aufgrund neuer EU-Rechtsvorschriften zum Inverkehrbringen von Pestiziden sowie einer Reihe wissenschaftlicher Entwicklungen war es nötig, sich mit den alten Leitlinien erneut näher zu befassen. Besagte Verordnungen beinhalten neue rechtliche Bestimmungen hinsichtlich der von Antragstellern vorzulegenden Kerndaten. Im Hinblick auf wirbellose Wassertiere forderten die alten Rechtsvorschriften beispielsweise nur Daten zu einem kleinen Krustentier, dem sogenannten Wasserfloh (Daphnia), der als Sicherheitsindikator für alle Spezies dieser Art Untergliederung der Gattung, eine Gruppe eng verwandter und ähnlicher aussehender Organismen; z.B. steht im Falle des Homo sapiens (Mensch) der zweite Teil des Namens (sapiens) für die Art von Wasserorganismen verwendet werden konnte. Hingegen ist es nun erforderlich, Daten zu mehr Spezies zu liefern, da der Wasserfloh auf einige der neuen Insektizide, die seit 2002 zugelassen wurden, nicht reagiert.

Die Methoden der Risikobewertung haben sich im Laufe der Zeit ebenfalls weiterentwickelt, und so flossen in das vorliegende Leitliniendokument zehn Jahre wissenschaftlicher Entwicklungen mit ein. Es liegen mittlerweile viele neue Informationen dazu vor, wie man spezifische Schutzziele implementiert oder die Exposition Konzentration oder Menge eines bestimmten Stoffs, die von einem Menschen, einer Population oder einem Ökosystem mit einer bestimmten Häufigkeit über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufgenommen wird mit den Wirkungen auf Wasserorganismen verknüpft – ein Schlüsselkonzept dieses Leitliniendokuments.

Werden die Leitlinien zur Förderung eines standardisierten Bewertungsansatzes für die aquatische Ökotoxikologie in ganz Europa beitragen?

T.B.: Ja, ein wichtiger Aspekt dieser Leitlinien ist, dass sie einen harmonisierten Risikobewertungsansatz fördern sollen. Das vorherige Leitliniendokument ließ Risikobewertern mehr Raum für individuelle Auslegungen der Befunde. Da der europäische Rechtsrahmen nun jedoch die gegenseitige Anerkennung der Risikobewertungen von Pestiziden unter Mitgliedstaaten verlangt, sollten die Risikobewerter idealerweise den gleichen Ansatz verwenden.

Welche Innovationen wurden in das Leitliniendokument aufgenommen?

„…die heute vorgestellten Leitlinien bilden den Ausgangspunkt Punkt auf einer anhand experimenteller Daten erstellten Dosis-Wirkungs-Kurve, der zur Ableitung eines sicheren Grenzwerts herangezogen wird eines Projekts, das die Art, in der wir das von Pestiziden ausgehende Risiko für Wasserorganismen in Europa bewerten, verändern wird.“

T.B.: Die bedeutendste in den Leitlinien enthaltene Neuerung ist die Weiterentwicklung eines mehrstufigen Risikobewertungsansatzes – insbesondere die Einbeziehung höherstufiger Verfahren. Diese greifen auf Versuchsansätze zur genaueren Bewertung der Gefährdung verschiedener Arten von Wasserorganismen zurück. Für die Möglichkeit der Anwendung höherstufiger Methoden ist der Umfang der vorliegenden einschlägigen Daten entscheidend. So erläutern wir etwa für Stufe 2 Methoden zur Bündelung von Daten, die deren Auswertung erleichtern sollen. Das Vorliegen zusätzlicher Daten ermöglicht es Wissenschaftlern, eine Methode anzuwenden, die als Artempfindlichkeitsverteilung (Species Sensitivity Distribution SSD Die Artempfindlichkeitsverteilung (Species Sensitivity Distribution – SSD) ist ein Modell der unterschiedlichen Empfindlichkeit einer Art gegen eine bestimmte Schadensquelle (z.B. Dürre, Schädlingsbefall oder Exposition gegenüber chemischen Stoffen)) bezeichnet wird und mithilfe derer Pestizid Substanz, die verwendet wird, um Schädlinge abzutöten oder zu bekämpfen, einschließlich krankheitsübertragender Organismen und unerwünschter Insekten, Tiere und Pflanzen-Konzentrationen abgeleitet werden können, wenn Untersuchungen eine zu vernachlässigende Wirkung auf die betroffenen Wasserorganismen ergeben haben.

Für die Bewertung auf Stufe 3 werden künstliche Teiche oder Bäche als Modell-Ökosysteme eingesetzt. Diese Anlagen, die Süßwasser-Ökosysteme am Rande von mit Pestiziden behandelten Feldern simulieren, sind groß genug, um die Auswirkungen verschiedener Expositionsszenarien auf die Mehrzahl der Wasserorganismen zu untersuchen, eignen sich jedoch weniger bei Fischen. Unter Verwendung dieser Methode können wir Pestizid-Konzentrationen berechnen, die ein geringes Risiko für Wasserorganismen darstellen, und dies sowohl in Hinblick auf das mögliche Schutzprinzip des ökologischen Schwellenwerts (Ecological Threshold Option – ETO) als auch das der ökologischen Erholung (Ecological Recovery Option – ERO) – die beiden Modelle, die in den Leitlinien zur Bewertung der Wirkung von Pestiziden auf Wasserorganismen dargestellt werden.

Warum schlägt das neue Leitliniendokument der EFSA sowohl den ökologischen Schwellenwert Dosis oder Exposition, unter der keine schädlichen Wirkungen nachgewiesen werden (ETO) als auch die ökologische Erholung Rückkehr einer Population oder eines Ökosystems zu einem vordefinierten Zustand nach einer Störung ihrer/seiner normalen Aktivitäten (z.B. infolge der Exposition gegenüber einem Giftstoff oder Schädling oder eines veränderten Nahrungsangebots) (ERO) als Optionen vor?

T.B.: Die Entscheidung zur Erarbeitung zweier Optionen wurde nach Rücksprache mit Risikomanagern aus den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission getroffen. Da bei der gleichen Kulturpflanze mehrere Pestizide zur Anwendung kommen können, raten Sachverständige, dass die ETO-Methode, die ein höheres Schutzniveau verlangt, dem ERO-Bewertungsmodell u.U. vorzuziehen ist. Das Leitliniendokument hingegen enthält Empfehlungen für die Entwicklung beider Optionen, da dies den Risikomanagern in den Mitgliedstaaten ermöglicht, das geeignetste System für ihre nationalen Programme auszuwählen und zu entwickeln.

Wird die EFSA weitere Arbeiten zur Bewertung der Risiken von Pestiziden für Wasserorganismen durchführen?

T.B.: Ja, die heute vorgestellten Leitlinien bilden den Ausgangspunkt eines Projekts, das die Art, in der wir das von Pestiziden ausgehende Risiko für Wasserorganismen in Europa bewerten, verändern wird. Als Nächstes ist vorgesehen, dass das PPR-Gremium der EFSA bis Ende kommenden Jahres ein wissenschaftliches Gutachten Zu Gutachten zählen Risikobewertungen im Hinblick auf allgemeine wissenschaftliche Fragen; Bewertungen von Anträgen auf Zulassung eines Produkts, Stoffs oder einer Angabe; sowie Bewertungen von Risikobeurteilungen zur Bewertung der Wirkungen von Pestiziden auf Sedimentlebewesen vorlegt. Während die aktuellen Leitlinien eine grundlegende Methodik für Sedimentorganismen beschreiben, wird das kommende Gutachten ein umfassendes Risikobewertungsmodell vorstellen. Darüber hinaus soll 2016 eine dritte Arbeit zu Ansätzen der mechanistischen Effektmodellierung bei der aquatischen Risikobewertung veröffentlicht werden.

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